Die Ansiedelung auf dem Meeresgrunde

In Richards Schlafzimmer befindet sich eine Kammerthür. Jede Nacht wird er erwachen (das heißt nur scheinbar), er soll aufstehen, jene Thür öffnen, und er wird sich stets dort befinden, wohin versetzt zu sein er sich gewünscht hat.

„Die Wunder der Meerestiefe möchte ich einmal schauen,“ sagte Richard vor dem Schlafengehen. „Der Wunsch steht mir zwar frei, mich im Wasser, in jeder Tiefe wie an der Erdoberfläche bewegen zu können und meine Lungen in Kiemen zu verwandeln, aber das will ich nicht. Das ist unnatürlich. Solche Sachen begreift man oft sogar im Traume nicht und wundert sich dann darüber, wie ich schon in früheren Träumen manchmal bemerkt habe. Ich will mich daher nur an Möglichkeiten halten, wenn die Phantasie sonst auch noch so kühn arbeitet. So wünsche ich mir also ein Taucherkostüm, von dem ich annehme, daß ich es selbst erfunden und hergestellt habe, und das allen Anforderungen der Situation entspricht, in die mich die Phantasie versetzen wird.“

Nachdem er eingeschlafen war, erwachte er scheinbar, verließ im Nachtgewande das Bett, öffnete die geheimnisvolle Kammerthür, und – vor ihm lag der blaue Spiegel des Meeres, erstreckte sich zu seinen Füßen, von der Kammerthürschwelle ausgehend, eine kurze Plattform aus Holz oder vielleicht auch ein schwimmendes Floß, das ihn zum Betreten einlud. Gleich darauf, und zwar gerade in dem Augenblicke, als er die Schwelle überschritt, ging die Verwandlung mit [2] ihm selbst vor sich und umgab ihn statt des Nachthemdes ein Taucherkostüm, dessen einzelne Vorrichtungen ihm sofort bekannt schienen, ebenso wie er auch sofort eine Idee von ihrer Leistungsfähigkeit hatte und sehr wohl imstande zu sein glaubte, die Instrumente zu beobachten und die Sicherungen zu handhaben. Kurz und gut, nichts dünkte ihm an seinem Taucherkostüme fremd.

Dabei war Richard sich nicht im geringsten bewußt, nur zu träumen. Von jetzt an war für ihn alles reelle Wirklichkeit.

Das Gewand, in dem er steckte, war also ein Taucherkostüm, bestehend aus einem wasserdichten Anzuge, einem großen Helme mit Augenfenstern; die Füße aber waren mit dicken Bleisohlen beschwert.

Luft brauchte ihm von oben durch eine Pumpe nicht zugeführt zu werden, wie es bei alten Taucherapparaten der Fall ist, die vermutlich schon in einigen Jahren in die Rumpelkammer kommen werden. Sein Kostüm war ein derartiges, daß der Taucher den für viele Stunden reichenden Luftvorrat komprimiert in einer Art von Tornister auf dem Rücken mit sich in die Tiefe nahm, von dem zwei Schläuche ausgingen, die ihn mit dem Glockenhelme verbanden, während ein Mechanismus die Zuführung regulierte, die bei zunehmender Tiefe immer geändert werden mußte, und für die Ausstoßung der ausgeatmeten Luft durch ein Ventil sorgte. Derartige Apparate werden immer vollkommener konstruiert, und auch Richard besaß einen solchen von höchster Vollkommenheit.

An seinem Gürtel hing eine Lampe, die durch Elektricität gespeist wurde, ein Kompaß, ein Tiefenmesser und andere Instrumente, die den heutigen Tauchern ganz unbekannt sind und die er erst probieren wollte, wie denn auch sein Helm mit einer ganz besonderen Art von Telephon ausgestattet war.

Ein Telephon besitzen heutzutage allerdings auch alle anderen modernen Taucheranzüge, zum Beispiel die der Marine, und zwar befindet sich die Vibrane, mit der man hört, seitwärts am Ohre, und man braucht den Kopf nur ein wenig dorthin zu wenden, so erreicht der Mund das Sprechstück. Da nun isolierte Kupferdrähte, wie bei jedem anderen Telephon, die Verbindung vermitteln, so kann der Taucher sich immer mit den oben Befindlichen unterhalten, Anweisungen empfangen und Mitteilungen machen.

Sonst war er noch mit einem Messer, einem Axthammer und einer elektrische Glaskugeln schießenden Pistole mit sehr langem Laufe bewaffnet, deren Wirksamkeit unter Wasser er gleichfalls zu probieren gedachte.